Loben und gelobt werden und die Wissenschaft dahinter

Loben und gelobt werden

Loben und gelobt werden, genau darum ging es gestern in einer Beratung.

„Ihr Konzept fängt gut an, aber …“ In diesem Moment rutschte meiner Klientin das Herz in die Hose. Das Aber hatte das Lob davor verschluckt. Ihre Erwartung: vernichtende Kritik. Doch ich fuhr fort: „… dann wird es richtig stark. Das letzte Kapitel ist großartig. Das Resümee unfassbar gut. Genau so soll eine Arbeit sein: gut anfangen … und stark enden.“
Plötzlich leuchtete sie.
Ihre Erleichterung konnte ich deutlich spüren. Ihren Stolz auch. Pure Freude.

Danach sprachen wir nur noch über Details, die das Konzept abrunden.


Das Problem: Kritik überwiegt

Diese kleine Szene zeigt, wie stark Feedback wirkt und wie gefährlich das kleine Wörtchen aber sein kann. In Organisationen sieht es oft genau andersherum aus: Es hagelt Kritik, Lob ist selten. Gute Arbeit wird stillschweigend erwartet, nur Abweichungen erzeugen Aufmerksamkeit.

Das Verhältnis liegt häufig bei 1:6. Auf eine Anerkennung kommt sechs mal Kritik. Die fatale Folge davon ist, dass die Motivation sinkt. Die erbrachte Leistung wird dann zum Dienst nach Vorschrift.


Loben und gelobt werden: Die Wissenschaft dahinter

Auch die Forschung zeigt hier klar: Dieses Missverhältnis ist fatal.

  • Losada & Heaphy (2004) fanden heraus, dass Hochleistungsteams mindestens ein Verhältnis von 3:1 haben. Drei Anerkennungen auf eine Kritik.
  • John Gottman (1999) zeigt, dass in stabilen Beziehungen es sogar ein 5:1 braucht. Nur so überlagern positive Interaktionen die Wucht negativer Worte.
  • Barbara Fredrickson (2005) zeigt in der Broaden-and-Build-Theory, dass Menschen und Teams erst bei einem Verhältnissen 6:1 richtig „aufblühen“.
  • Gallup Engagement Index 2023 besagt, dass nur 26 % der Beschäftigten in Deutschland sich ausreichend anerkannt fühlen.

Die wissenschaftliche Meinung ist hier ganz eindeutig: Mehr positives Feedback ist kein Luxus. Es ist überlebenswichtig für Motivation, Zusammenarbeit und Unternehmenskultur.

Positives Feedback ist kein Luxus.
Es ist überlebenswichtig
für das Unternehmen.

Edith Nörthemann

Die Parallele zur KI

Was viele Führungskräfte noch nicht umsetzen, hat die Künstliche Intelligenz längst verstanden.

  • Sie lobt zuerst.
  • Dann schlägt sie Alternativen vor.
  • Die KI verstärkt Gutes und hilft beim Verbessern.
  • Wenn etwas nicht passt, korrigiert sie sachlich.

Es droht kein Gesichtsverlust. Dramen finden nie statt.

Die KI zeigt uns genau: Feedback kann konstruktiv, klar und wirksam sein, ohne dass jemand das Gefühl hat, klein gemacht zu werden.


Wie Anerkennung in der Praxis gelingt

Wie können Führungskräfte das besser machen?
Hier sind fünf konkrete Vorschläge, die den entscheidenden Unterschied machen:

  1. Das Verhältnis beachten.
    Streben Sie mindestens 3:1 an.
    Besser ist 5:1.
    Am besten ist 6:1.
  2. Spezifisch loben.
    Nicht nur einfach „Das ist eine gute Arbeit“, sondern „Das letzte Kapitel ist hervorragend, weil es die Argumentationen klar zusammenführt.“
  3. Zeitnah anerkennen.
    Feedback wirkt am stärksten, wenn es sofort kommt.
  4. Ehrlich bleiben.
    Lob ist nur wirksam, wenn es glaubwürdig ist.
    Ansonsten wird es als Manipulation entlarvt.
  5. Kritik nutzen, aber nur im richtigen Maß.
    Kritik ist wichtig, doch sie sollte korrigieren, nicht dominieren.
    Kritik ist richtig, wenn sie hilft, noch besser zu werden.

So ist „Loben und gelobt werden“ eine strategische Intervention, die die gesamte Unternehmenskultur prägt.
Denn wenn Leistung sichtbar gemacht wird, macht sie wiederholbar.
Und wer Menschen stärkt, stärkt die ganze Organisation.

Der gestrige Einzelfall hat es mir erneut bestätigt.


Die Schönheit der Leistung erkennen

Und falls es einmal nichts zu loben gibt?
Wirklich?
Liegt das dann nur an der schlechten Leistung der anderen?
Oder liegt es auch vielleicht an der Unfähigkeit der Führungskraft, die Leistung der anderen anzuerkennen? Es kann auch ein Unwille vorliegen. Das muss klar herausgearbeitet werden, um hier Abhilfe schaffen zu können.

Die Neurowissenschaftlerin Tara Swart stellt im DAOC-Podcast vom 15. August 2025 heraus: „Die Schönheit zu erkennen, hebt uns selbst auf ein neues Level.“

Das gilt nicht nur für Natur oder Kunst, sondern auch für das Business.
Wer lobt, erkennt die Schönheit der Leistung im Detail.
Ein starkes Statement, ein klarer Gedanke, eine gelungene Innovation, das alles ist auch ein Ausdruck von Schönheit.

💡 Loben heißt also nicht, oberflächlich Nettigkeiten zu verteilen.
Es bedeutet, das Wertvolle und das Schöne im Werk eines anderen Menschen wirklich zu sehen und anzuerkennen. Und diese Anerkennung hebt nicht nur die Gelobten. Sie hebt auch die Lobenden. Aber darum sollte es wirklich nicht gehen.


Quellenverzeichnis