Neuroplastizität und die unentdeckten Möglichkeiten


Geht nicht, gibt es nicht. Grenzen verschieben, kostet Kraft, Ausdauer, Disziplin und unerschütterliches Selbstvertrauen verbunden mit der Einstellung niemals aufzugeben. Wir können niemals wissen, was wirklich möglich ist.

Medizinische Grenzen missachten

Schauen wir uns Christopher Reeve an. Nach einem Reitunfall im Jahr 1995 war er vom Nacken abwärts gelähmt. Seine Ärzte verkündeten ihm, dass er niemals mehr in der Lage sein werde, Körperteile unterhalb seines Nackens zu bewegen. Der schlimmstmögliche Fall war eingetreten. Im letzten Jahrtausend galt das medizinische Dogma, dass es unmöglich sei, sich von so einer schweren Verletzung des Rückenmarks zu erholen. Mindestens zwei Drittel der Nervenbahnen in Reeves Rückenmark auf Nackenhöhe waren durchtrennt. Die restlichen funktionierten nicht mehr. Doch Herr Reeve ließ sich von den Halbgöttern in weiß nicht den Mut nehmen. Er versuchte alles, auch was bisher noch nicht ging.

Training neu definiert

Da aktives Training unmöglich war, ließ er sich bewegen und vertikal kippen, um seinen Blutkreislauf zu stimulieren und die Knochendichte aufrechtzuerhalten. Fünf Jahre elektrische Stimulation zeigte keine Wirkung, außer lebensbedrohliche Situationen infolge medizinischer Komplikationen – die Ärzte haben es nicht anders erwartet.

Statt aufzugeben, musste ein neues Programm her: Activity-Based-Recovery. Auf einem stationären Fahrrad wurden seine Hauptmuskelgruppen in den Beinen passiv bewegt. Zusätzlich wurden seine Muskeln in den Armen und im Rumpf stimuliert. Das Programm wechselte täglich. Später wurde er durch einen Therapeuten im Wasser bewegt. Atemübungen kamen hinzu.

Sechs Jahre nach dem Unfall, einschließlich einem Jahr des Activity-Based-Recovery, konnte Reeve ein spastisches Zucken seines linken Zeigefingers willkürlich auslösen. Rückblickend stellte Reeve fest: „Meine erste Reaktion war, meinen Enthusiasmus zu dämpfen. Doch innerlich hoffte und glaubte ich…, dass ich alle anderen Teile meines Körpers erforschen musste, um zu sehen, was möglich war. … Damals entschloss ich mich, das Trainingsprogramm noch zu intensivieren.“

Fortschritt mit eigenem Forschen

Während es auch alltagssprachlich noch gebräuchlich ist, dass Kinder die Welt erforschen, geben die Erwachsenen die forschende Geisteshaltung an Wissenschaftler und Fachleute ab. Zum Glück erforschte Reeve seinen Körper sehr intensiv und revolutionierte die medizinischen Grenzen, einschließlich der Therapie.

Mit Selbstvertrauen, Entschlossenheit und Disziplin, ohne wahrnehmbaren Fortschritt, katapultierte Reeve die Medizin in eine neue Bahn: das Training verbesserte Reeves Gesundheit und Lebensqualität in einem bis dato nicht für möglich gehaltenem Maße: Nervenbahnen wurden im Erwachsenenalter neu ausgebildet. Die Neuroplastizität wurde nun auch im Erwachsenenalter praktisch bewiesen.

Mit Christopher Reeve als Pionier wurde ein medizinisches Rehabilitatiossprogramm für Rückenmarksschäden für die Nachwelt entwickelt.

Forschungsfähigkeit

Christopher Reeve war kein Mediziner. Dennoch hat er eine Fähigkeit kultiviert, die die Menschheit vorangebracht hat. Also das, was Forschung im besten Fall liefern sollte. Er hat die Grenzen seines Körpers selbst unermüdlich erforscht und damit eine medizinische Revolution ausgelöst.

Wer war dieser Christopher Reeve? Er war Schauspieler und Regisseur. Mit der Darstellung des Supermanns im gleichnamigen Film ist er berühmt geworden. „Sein Mut und seine Entschlossenheit sowie seine Großzügigkeit des Geistes angesichts dessen, was ihm widerfahren ist, scheint diesem Namen, der an ihm haften geblieben ist, auf seltsame Weise angemessen“, schreibt Jon Kabat-Zinn im Buch „Zur Besinnung kommen“ auf Seite 409 in der 4. Auflage von 2011. Seltsam finde ich das in keiner Weise. Mit dem Spielen des Supermanns hat Reeve die Rolle verinnerlicht. Die Neuroplastizität des Gehirns wird so mehr als deutlich: wer sonst, wenn nicht der Supermann, soll die Grenzen des Möglichen verschieben?

Supermenschen für die forschende Organisation

„Oh Superman where are you now When everything’s gone wrong somehow“ , singt Phil Collins mit Genesis. Sicherlich können wir mehr Supermenschen gebrauchen. Wie können wir diese Geisteshaltung kultivieren? Die Antwort hängt lediglich davon ab, wie weit wir bereit sind, gehen zu wollen.


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