In dieser Woche wäre Hegel 250 Jahre alt geworden. Wir zelebrieren seinen Geburtstag, wie es sich gehört, am Wochenende. Zuerst schauen wir uns seine philosophischen Errungenschaften kurz und knapp an – Hegel to go – sozusagen. Des Weiteren stellen wir diese in einen wirtschaftlichen Bezug. Doch zuerst widmen wir uns dem Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Philosophie.
Philosophie und Wirtschaftswissenschaft
Ursprünglich wollte ich ein Doppelstudium absolvieren: Philosophie und Betriebswirtschaft. Da es ein anspruchsvolles Unterfangen war, ging ich lieber zuvor zur Studienberatung meiner damaligen Heimatstadt Göttingen.
Was habe Philosophie mit Wirtschaft zu tun? – wurde ich da rhetorisch gefragt.
Viel – dachte ich schon damals.
Nun wird es hier kurz und kanapp zusammenfasst:
- Beide Disziplinen ringen um das glückliche Leben.
Die Philosophie denkt darüber nach – ich denke also bin ich.
Die Wirtschaft setzt am Anfang vereinfachend Glück mit Wohlstand gleich. Denken wir an die lang vorherrschenden Hungersnöte, wird das leicht nachvollziehbar.
Und dann kommt die Wirtschaft ins Handeln: Mit Tauschen wird der Wohlstand und damit das Glück beider Tauschpartner vermehrt. Tauschpartner können auch Nationen sein, hier kommt die Volkswirtschaft ins Spiel.
Geld erleichtert den Tauschvorgang erheblich. So erheblich, dass viele Wirtschaft mit Zahlenakrobatik gleichsetzen, was definitiv viel zu reduktionistisch ist. - Die Philosophie versteht sich als eine übergeordnete Disziplin.
Das heißt, die Philpsophie philosophiert auch über die Wirtschaftswissenschaften an sich.
Bekanntlich denkt sie über das Denken nach.
Denken über das Denken hat noch keiner wissenschaftlichen Disziplin geschadet – auch den Wirtschaftswissenschaften nicht. - Philosophen tauschen Wissen.
Wirtschaft beschäftigt sich mit dem Tausch von Waren und Dienstleistungen. Wissen kann auch als eine Dienstleistung verstanden werden.
Aber vielleicht sind hier die Wirtschaftswissenschaften noch nicht so weit. Es wäre jedoch ein guter Forschungsansatz für beide Disziplinen. - Um sich tief philosophischen Fragestellungen widmen zu können, sollte der oder die Denkende zumindest einen Dach über dem Kopf und ein gesichertes Einkommen haben. Daher ist die Philosophie geschichtlich in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten entstanden.
Prosperierende Wirtschaft, im Sinne eines gesicherten Einkommens, ist daher die Bedingung für die Philosophie. Gleichzeitig bildet die Philosophie die wissenschaftliche Grundlage für die Wirtschaftswissenschaften.
Studium Generale
Zurück zu meinem Werdegang: Da ich mich laut Studienberatung für ein Fach entscheiden sollte, wählte ich die Betriebswirtschaft und schwor mir, die Philosophie weiter zu betreiben – aus Leidenschaft.
In der Einführungsveranstaltung der BWL stellte der Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Georg August Universität klar, dass die Universität, so heiße, weil sie alles vereine: Universität komme vom Universal, dem umfassenden Charakter von Bildung.
Wissen könne nicht nach Fächern aufgespalten werden.
Das tue man, weil es der derzeitige wissenschaftliche Standard sei. Das sei jedoch ein Irrweg. Wir hätten die Möglichkeit ganz viele Vorlesungen, Seminare und Übungen aller Fakultäten zu besuchen. Das sollten wir auch nutzen. Bei mir stieß das auf ganz offene Ohren.
Ich schaute mir viele Angebote an und entschied mich mit Hegel – Wissenschaft der Logik – anzufangen. Der Philosophieprofessor hat mich überzeugt: Logik ist die Wurzel allen wissenschaftlichen Denkens. Also beschäftige ich mich ein Semester lang mittwochs zwischen 20 und 22 Uhr mit logischen Aussagekonstrukten. Wahr oder nicht wahr – lautete die Frage.
Hegel verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz
„Das Wahre ist das Ganze.
Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendete Wesen“,
stellte Hegel heraus.
Schon Hegel macht uns auf den universalen Charakter der Bildung aufmerksam. Das ganzheitliche Denken, der umfassende Ansatz ist, laut Hegel, das einzig Wahre.
Jedoch geht Hegel noch viel weiter: Bildung ist nicht statisch, sondern dynamisch. Das, was wir als lebenslanges Lernen oder die lernende Organisation nun langsam begriffen haben. Mit Bezug auf Hegel fordere ich jedoch: Wir brauchen das lebenslange Forschen und die Forschende Organisation. Da sind erhebliche qualitative Unterschiede.
Hegels Dialektik
Auf Hegel geht die wissenschaftliche Dialektik zurück. Heute bezeichnen wir sie als These, Antithese und Synthese. Hegel stellt die Wichtigkeit einer umfassenden Meinungsbildung heraus, die die konträre Sicht einbezieht und schließlich zu einer Conclusion kommt, die jedoch stets vorläufig ist.
Wir wissen, dass alles ambiguativ ist. Unser Leben lehrt uns, dass das, was wir heute noch als richtig erachteten, sich morgen ganz anders darstellt. Daher ist auch Hegels Dialektik nicht statisch, sondern fließend. Unser Leben, einschließlich unserer Erkenntnis ist ein Fluß.
Mal fließt das Leben so langsam, dass wir die Bewegung kaum spüren. Dann wird es zum reißenden Fluß, auf dem wir mitgerissen werden. Mal stranden wir. Manchmal lassen wir uns mit der Strömung treiben. Heute treiben wir mit Hegel.
Hegel legt eine nachhaltige Sichtweise dar
Am besten gefällt mir persönlich Hegels Bild vom Samenkorn. Der Samen hat die archaische Tendenz aufzugehen und sich dann zur Pflanze zu verwandeln. Diese Pflanze trägt Früchte. Ihre Früchte bilden wiederum Samen. Hegel beschreibt diesen Kreislauf der Natur und stellt heraus, dass der ursprüngliche Zustand ganz aufgegeben werde, um sich schließlich wieder in den Ursprungszustand zu verwandeln.
Was würde wohl Hegel heute denken?
Hegel würde wohl denken, „dass die Naturzerstörung, die wir heute betreiben, nicht Ausdruck von zu viel Geist ist, sondern ein Ausdruck eines Mangels an Geist“ sei, stellt die Philosophieprofessorin Andrea Kern im Deutschlandfunk heraus.
Vielleicht stünde uns allen ein klein wenig mehr Geist gut zu Gesicht.
Forschende Organisation
Exploring Organization – die Forschende Organisation, meines Geistes Kind, hat ihren Ursprung auch bei Hegel.
Und mit Hegels Philosophie ähnlich – ist die Forschende Organisation dialektisch evolutionär, ganzheitlich und nachhaltig.
Kein leichtes Unterfangen.
Jedoch fordert uns exploratives Forschen zum inneren Wachstum heraus – und das macht definitiv glücklich!