In der Presse begegnet uns der medizinische Fachbegriff der „Selbsttoleranz“. Was bedeutet dieser? Und welche Erkenntnisse können wir für die Organisationsentwicklungstechnik ziehen? Hat die Selbsttoleranz eine zentrale Bedeutung, auch für Ihre Organisation? Eine nähere Betrachtung des Phänomens lohnt sich auf jedem Fall. Schauen wir jedoch zuerst auf die medizinischen Grundlagen.
Medizinische Relevanz
Das Erkennen von „fremd“ und „selbst“ ist eine fundamentale Eigenschaft des Immunsystems. Die Erlangung dieser Selbsttoleranz wird ursächlich während der T-Zellreifung im Thymus erreicht. Bemerkenswerterweise sterben 95 % aller dort gebildeten Zellen, bevor sie reifen. Äußerst strenge Auslesekriterien sorgen für die Selbsttoleranz. So wird sichergestellt, dass nur die nützlichen T-Zellen überleben. Aus einer Kombination von positiven und negativen Ausleseprozessen entsteht ein Repertoire an T-Zellen.
Die regulatorischen T-Zellen fungieren als „Selbstkontrolle“. So werden übermäßige Reaktionen verhindert. Der Körper greift die gesunden Zellen nicht an. Die T-Zellen halten die im Körper zirkulierenden Killerzellen in Schach.
Shimon Sakaguchi hat regulatorische Funktion der Treg-Zellen (T-Zellen) entdeckt und herausgearbeitet. Dafür wurde er mit dem renommierten Paul Ehrlich Preis 2020 ausgezeichnet. Der japanische Immunologe zeigte, dass T-Zellen die Immunzellen bremsen, die überaktiv sind und körpereigenes Gewebe angreifen. Bei Autoimmunerkrankungen ist das der Fall: Die Funktion der T-Zellen ist gestört.
Bedeutung der Selbsttoleranz für Organisationen
Wir bezeichnen „Selbsttoleranz“ als die Fähigkeit der Organisation zu unterscheiden, was fremd ist und was zur Organisation gehört. Was gut für die Organisation ist und was diese zerstört. Es ist wohl die wichtigste Aufgabe, interne sowie externe Attacken auf die eigene Organisation abzuwehren. Genau wie in der Medizin zuvor herrscht hier womöglich immer noch ein blinder Fleck. In der Forschung und sowie auch in der Praxis.
Selbsttoleranz bedeutet selbstzerstörerische Prozesse aufdecken
Funktioniert die Selbsttoleranz nicht, drohen der Organisation selbstzerstörerische Prozesse:
- Böse fremde Eindringlinge werden nicht erkannt.
- Es findet eine unangemessene Vermehrung beziehungsweise eine Aufblähung, um seiner selbst willen statt.
- Es entstehen Abstoßungsreaktionen nützlicher Einheiten.
- Oder es führt dazu, dass nützliche Entwicklungen nicht toleriert werden.
Interne Schutzmechanismen implementieren
Bei der Implementierung stellen sich folgende Fragen:
- Welche Schutzmechanismen vor externer oder gar interner Sabotage bestehen in Ihrer Organisation?
- Wie erkennen Sie, dass Prozesse aus dem Ruder laufen?
- Wie werden die „zirkulierenden Killer“ in Ihrer Organisation in Schach gehalten?
- Wo sind Ihre organisatorischen T-Helfer?
- Haben Sie auch einen so strengen positiven wie negativen Ausleseprozess bei den organisatorischen T-Helfern?
- Welche Funktion übernehmen Sie selbst hierbei?
Fragen über Fragen, die tiefer Auseinandersetzung und Antworten bedürfen.
Artikel wurde aktualisiert am 21.06.2023