Immer wenn wir um unsere persönliche Entscheidungsfreiheit fürchten, neigen wir zur Reaktanz. Darunter verstehen wir den inneren Widerstand gegen Einschränkungen unserer Handlungsfreiheit. Organisationen treffen auf dieses Phänomen auf seiner ganzen Bandbreite bis zur inneren Kündigung der Mitarbeiter oder der Abwendung der Kunden. Doch wie können wir diese menschliche Komponente für uns nutzen? Wie setzen wir Reaktanz für uns ein? Und wie finden wir die richtigen Stellschrauben im Organisationsentwicklungs-, Marketing- oder Innovationsprozess?
Wir alle kennen das schreiende Kind, welches sich auf den Boden wirft, weil es zwar den inneren Willen bereits stark entwickelt, jedoch noch keine anderen Copingmechanismen mit Verboten gelernt hat. Diese Reaktanz trifft auf uns in viel differenzierten Ausprägungen in den Organisationen. Doch wenn wir bereit sind, uns mit diesem Phänomen tiefer zu beschäftigen, können wir diese menschliche Regung im organisatorischen Entwicklungs-, Marketing- und Innovationsprozess positiv nutzen.
Ehrgeiz und Reaktanz
Ehrgeiz und Reaktanz sind eng miteinander verknüpft. Den Wunsch, eigene Ziele zu erreichen, bezeichnen wir als Ehrgeiz. Reaktanz entwickeln wir als Reaktion auf die Einschränkung, Manipulation oder Beeinträchtigung dieses Wunsches.
Reaktanz wird oft als negativ konnotiert. Denn Reaktanz kann sich in Form von Widerstand oder Ablehnung äußern. Jeder Manipulationsversuch seitens des Arbeitgebers, um die Arbeitsleistung zu erhöhen, kann dazu führen, dass ein ehrgeiziger Mensch oder ein ehrgeiziges Team seine eigenen Ziele noch energischer verfolgt und die gemeinsamen übergeordneten Ziele den Bach runtergehen.
Wenn eine Person das Gefühl hat, dass sie in ihren persönlichen Ambitionen oder Zielen eingeschränkt wird, entwickelt sie eine starke Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume. In diesem Fall kann Reaktanz dazu führen, dass ein Individuum mehr Ehrgeiz entwickelt, um seine Freiheit und Entscheidungsfähigkeit wiederzuerlangen. Das kann auch zu Aggressionen oder Verlassen der Situation führen. In Unternehmen führt das manchmal gar zu Sabotage oder zur inneren oder gar echten Kündigung. Kein Phänomen also, das vernachlässigt werden darf.
Ehrgeiz und Reaktanz verstärken sich gegenseitig: immer wenn wir einen inneren Wunsch hegen sowie persönliche Ziele erreichen möchten und dabei unsere persönliche Willens- und Entscheidungsfreiheit nicht nur bewahren, sondern auch verteidigen, sind sowohl Ehrgeiz als auch Reaktanz im Spiel.
Doch sind ehrgeizige Schüler und Mitarbeiter nicht das, wonach wir wirklich streben? Sind nicht die eigenmotivierten Personen und Teams die innovativsten?
Daher ist Reaktanz – richtig verstanden und eingesetzt – eine Schlüsselkomponente für Innovationen und persönliche wie organisatorische Erfolge. Nicht gegen-, sondern miteinander heißt die Devise. Doch wie können wir das erreichen?
Spielerischer Umgang mit Reaktanz
Anstatt die Situation als Bedrohung oder Einschränkung zu sehen, können wir Reaktanz als einen starken Willen betrachten, etwas besonderes Leisten zu wollen, jedoch nicht zu können. Durch diese positive Konation und durch einen spielerischen Umgang können wir Reaktanz für uns nutzen und eine positive Einstellung fördern.
Indem wir eine positive Einstellung Herausforderungen und Hindernissen gegenüber einnehmen und diese als Teil unseres Entwicklungsprozesses betrachten, nehmen wir der Reaktanz ihren Schrecken. Auf diese Art und Weise werden Herausforderungen zu Chancen. Diese Chancen bieten Gelegenheiten, besser zu werden.
Eine spielerische Einstellung trägt erheblich dazu bei, dass wir selbst die Reaktanz nicht zur Bedrohung, sondern Teil des Entwicklungsprozesses wird. Genau wie Kleinkinder die Phase der Reaktanz durchlaufen und gestärkt die kommende Entwicklungsstufe nehmen, sollten wir auch als Erwachsene mit Reaktanz produktiv umgehen. So können wir Herausforderungen mit mehr Forschergeist angehen. Diese Attribution verleiht uns und unserer Organisation mehr Kreativität, Flexibilität und schließlich auch Innovationskraft. So verwandeln wir Hindernisse zu Spielwiesen der eigenen Kreativität und Innovation.
Ein spielerischer Umgang mit Reaktanz fördert nicht nur eine positive Einstellung gegenüber Herausforderungen und Hindernissen. Ferner leitet eine unverkrampfte Herangehensweise eher Innovationsprozesse ein. Anstatt Reaktanz als Bedrohung oder Einschränkung zu betrachten, können wir diese mit einem spielerischen Umgang für den Entwicklungs- und Innovationsprozess wirkungsvoll nutzen.
Einführung von ChatGPT- beispielhaftes Vorgehen
Die Einführung neuer KI-Technologien löst bei den Führungskräften und Mitarbeitenden tiefe Existenzängste aus. Die oft unausgesprochene Frage lautet: Werden selbst wir durch die neuen Technologien ersetzt? Offene und verdeckte Vermeidungsversuche, also Reaktanz, treten viel zu oft zu Tage.
Hier sind erste Tipps zum Umgang mit Reaktanz am Beispiel der Einführung von ChatGPT:
- Gamification: Verleihen Sie der Situation einen spielerischen Touch. Ist nicht jede Herausforderung auch ein Spiel? Entwickeln Sie einen spielerischen Umgang mit ChatGPT und seinen Prompts.
- Humor hilft. Lachen kann eine effektive Methode sein, um Spannungen und Widerstände abzubauen. Finden Sie auch einen humorvollen Zugang zu der neuen Arbeitssituation. Hierdurch verleihen Sie ihr einen Hauch von Leichtigkeit. Welche lustigen Antworten haben Sie generieren können?
Hier ist meine lustigste Version: „Bitte erinnern Sie Albert Einstein daran: „Der Maßstab für Intelligenz ist die Fähigkeit zur Veränderung.““ – werde ich gerne machen, wenn ich dazu komme. - Nutzen Sie eine leichte positive Verstärkung. Feiern Sie gemeinsam auch kleine Zwischenschritte und kleine Entdeckungen. So bleiben alle weiterhin motiviert.
- Visualisieren Sie Ihre zukünftige Erfolge. Stellen Sie sich vor, wie Sie erfolgreich die Herausforderungen meistern und wie sich die Errungenschaften anfühlen werden.
- Seien Sie stets flexibel. Passen Sie Ihre Herangehensweise stets den neuen Bedingungen an. Innovative Agilität bedeutet auch, bei den Lösungswegen flexibel zu sein. Stellen Sie bewusst auch mal befremdliche Fragen. Generieren Sie brandaktuelle Prompts.
Daher sind alles, was wir benötigen, Neugier und die Bereitschaft
- unsere Beschränkungen zu überwinden,
- uns umherzuschauen und
- neue Lösungen, die wir Innovationen nennen, zu implementieren. Denn:
PS: Es gibt auch eine Reaktanz sich selbst gesetzten Zielen gegenüber. Diese nimmt uns manchmal die Leichtigkeit des Seins, die wir für die kreativen Prozesse so dringend brauchen.
Montag bis Freitag sind Disziplin gefragt. Daher ist dieser Artikel an einem Sonntag fertiggestellt. Denn an den Wochenenden arbeite ich am liebsten:
Alles kann und nichts muss.