Die gefährlichste Wissenslücke, die die Unternehmen den Fortschritt kostet ist die fehlende Konation. Doch was ist das? Was bedeutet das englische Wort „Grit“ in der Organisationswirklichkeit? Wie hängt das mit Plastizität zusammen? Und warum Fortschritt und Innovation oft nicht am Denken, sondern am Handeln scheitern.
Was wird bei der Diskussion die Intelligenz völlig übersehen?
Wenn wir von Intelligenz sprechen, meinen wir fast immer die kognitive Intelligenz.
- Wie erfasse ich eine bestimmte Situation?
- Wie analysiere ich sie?
- Welche Muster erkenne ich?
- Wie bewerte ich Risiken und Chancen?
- Und wie ziehe ich logische Schlüsse?
Das alles ist unheimlich wichtig. Unheimlich, denn es ist nur eine Dimension des Problems. Ja, viele haben bereits erkannt, dass auch die emotionale Intilligenz ebenfalls eine zentrale Rolle spielt. Keine Frage.
Jedoch was nützen all das Wissen, Denken, Analyse und Empathie, wenn das Handeln und die Umsetzung fehlen?
Nichts. Nada. Garnichts.
Genau hier liegt das Problem.
Wir messen, testen und glorifizieren die Fähigkeit zu denken, zu analysieren und zu argumentieren.
Doch wir übersehen die konative Intelligenz. Es ist die Fähigkeit, wirklich etwas zu tun. Und es richtig zu tun. Es umzusetzen. Die Idee zur Welt bringen. Zu verwirklichen und zu einem Erfolg zu führen.
Konative Intelligenz ist die Umsetzungskompetenz.
Sie ist das Momentum des Handelns, die innere Energie, die Entscheidungen nicht nur trifft, sondern sie zielführend durchführt.
Es ist diese bestimmte Mischung aus Zielbindung, Ausdauer, Selbstdisziplin und Beharrlichkeit, für die es kein deutsches Wort gibt. Im Englischen heißt es schlicht: GRIT.
Grit, das verkannte Konzept
Grit bedeutet wörtlich übersetzt so etwas wie Streugut, Sand oder Splitt.
Doch Grit steht auch für Mut und Rückgrat. Vielleicht können wir es uns am besten so vorstellen: Wer Grit besitzt, rutscht nicht aus, wenn es spiegelglatt wird. Er bleibt an seiner Idee und Umsetzung hafen.
Und was passiert, wenn Grit fehlt?
Dann genügt schon eine kleine Irritation, ein kritischer Kommentar, eine Planänderung und die Menschen und Organisationen kippen aus dem Gleichgewicht.
Jede Unklarheit wird zum Drama.
Jede Verzögerung zur Krise.
Ziele verlieren ihre Bindung.
Menschen und Organisationen verlieren den Fokus. Ideen werden zwar angestoßen, aber selten durchgezogen.
Springen zum nächsten Thema. Selbstzweifel lassen grüßen.
Ohne Grit fehlt die Haftung. Man ist zwar unterwegs aber wir kommt nirgends wirklich an.
Und genau dann entsteht das Muster, das sich überall beobachten lässt:
hohe Intelligenz mit geringer Umsetzungsfähigkeit.
Nicht weil Menschen nicht können,
sondern weil etwas Entscheidendes fehlt:
die konative Stabilität, die Dinge wirklich durch den Nebel zum Erfolg führen.
Im Deutschen kennen wir zwar den Begriff „Biss haben“. Aber es geht nicht nur um verbissen zu sein.
Es geht um mehr.
1. Warum erklärt Grit viel mehr als Talent?
Angela Duckworth hat dem Begriff ein ganzes Buch gewidmet. Sie hat den Begriff zwar nicht erfunden, aber wissenschaftlich unterucht. Und sie hat ihn entmystifiziert.
In ihrer Forschung taucht Grit immer wieder als die Variable auf, die langfristigen Erfolg am stärksten vorhersagt.
Grit ist für den Erfolg wichtiger als Talent, IQ, oder sozioökonomische Herkunft.
Was Grit erklärt:
- Warum die „Begabtesten“ viel zu früh aufgeben.
- Warum vermeintlich „Mittelmäßige“ oft an die Spitze gelangen.
- Weshalb viele Unternehmen zwar gute Strategien entwickeln, aber kaum jemanden haben, der diese Strategien dann tatsächlich auch zum Erfolg führt.
Grit ist die Fähigkeit, auch dann noch weiterzumachen, wenn es hart wird.
Wenn niemand applaudiert.
Wenn noch kein Erfolg in Sicht ist.
Der Trainer von Michael Phelps formulierte es folgendermaßen:
„I don’t need 10/10 days. I need 8/10 days that never get skipped.“
Kein Training ausfallen lassen ist die entscheidende Komponente, die Michael Phelps die meisten Goldmedaillen in der olympischen Geschichte brachten.
Dieses Prinzip ist revolutionär einfach:
Nicht an einem Tag alles heruasholen. Nein, kontinuierlich dranbleiben, heißt die Devise.
Grit.
2. Warum ist Umsetzung eine trainierbare Fähigkeit?
Jedoch ist Gritt nicht dieses verbissen sein. Es geht nicht darum, sich an etwas festzubeißen und sturr nicht ablassen können.
Nein, „Plasticity is the name of the game.“
Die eigene Anpassungsfähigkeit bildet die fehlende Brücke zwischen Konation und Grit.
Wir können es uns so vorstellen:
Wenn es spiegelglatt ist, kommen wir trotz Splitt ins Rutschen. Aber dann müssen wir agil sein. Mit dem Körper ausgleichen und uns anpassen. Um diese Plastizität oder auch Formbarkeit und Bildsamkeit geht es wirklich.
Plastizität bedeutet soviel wie:
- Wandelbarkeit
- Veränderbarkeit
- Anpassungsfähigkeit
- Fortschrittsfähigkeit
Wir überschätzen, wie stabil Fähigkeiten sind
und unterschätzen, wie formbar unser Umsetzungsvermögen ist.
Die Forschung ist jedoch eindeutig:
- Das Gehirn verändert sich durch Tun. Nicht durch Denken.
- Jede Gewohnheit ist formbar.
- Jede Handlung verändert auch die Fähigkeit selbst zu handeln.
- Die Selbstwirksamkeit ist entscheidend.
Wer konativ intelligent ist, ist nicht einfach „von Natur aus“ so.
Die Person hat es bewusst oder unbewusst trainiert.
Unternehmen dagegen trainieren fast ausschließlich kognitive Fähigkeiten:
Analysieren. Strategien. Frameworks. Meetings.
Aber kaum ein Unternehmen schaut auf:
- Beharrlichkeit
- Zielbindung
- Ausdauer
- strukturiertes Dranbleiben
- handlungsbezogene Selbstwirksamkeit
Die Folgen sind hier schon vorprogrammiert. Es gibt brillante Pläne, jedoch bei Umsetzung hapert es oft.
3. Warum scheitern die Innovationen?
In Organisationen sehen wir ein Muster, das sich überall wiederholt:
- Ideen? Unendlich viele.
- Prozesse? Akkurat dokumentiert.
- Denker? Hochqualifiziert.
- Macher? Selten.
Organisationen ohne Grit geraten bei jeder Marktveränderung ins Wanken, brechen Projekte beim ersten Gegenwind ab und starten lieber etwas Neues, statt etwas Angefangenes durchzuziehen. Nach außen wirkt das oft dynamisch. Innen ist es pure Unruhe. Ohne Produktivität.
Oder sie bleiben schlimmstenfallst beim bewährten Alten. Ohne Fortschritt.
Je größer das Unternehmen, desto stärker die Schieflage.
Das ist kein Zufall. Es ist eine strukturelle konative Intelligenzlücke.
Konative Intelligenz fehlt hier an drei entscheidenden Stellen:
- Initiation
- Wer fängt wirklich an, wenn das Bild noch unklar ist?
- Wer übernimmt Verantwortung, wenn das Ergebnis noch unsicher ist?
- Perseverance
- Wer macht weiter, wenn die Euphorie verflogen ist?
- Wer macht weiter, wenn die ersten kleinen Erfolge ausbleiben?
- Was geschieht, wenn es viel komplizierter als gedacht wird?
- Completion
- Und wer bringt die Dinge zu Ende, während andere schon das nächste große Ding planen?
- Wer bleibt dran, wenn es um die abschließende Fuzzelarbeit geht?
Genau hier entscheidet sich, ob Innovation im Alltag überlebt oder in PowerPoint-Folien verstaubt.
Konative Intelligenz ist der unsichtbare Motor der Exzellenz:
- Sie gießt Ideen in Strategien.
- Sie verwandelt Strategien in Produkte.
- Konative Intelligenz macht Visionen konkret.
- Und sie unterscheidet Unternehmen, die reden, von denen, die die Welt verändern.
Was ist zu tun?
Wir können Kinder beobachten, die sich in ihrem Spiel bis fast in die Unendlichkeit vertiefen. Zuerst ist es vielleicht die Eisenbahn zum Spielen. Später sind es Computerspiele. Und alle Eltern machen sich große Sorgen. Doch genau wie sich die Jugendliche in ihr Spiel hineinziehen können, können sie es bei einer guten Umgebung später auch in ihre beruflichen Interessen.
Unter den besten ITlern ist bekannt, dass viele Comuternerds waren.
Hier reden wir nicht über ein theoretisches Defizit.
Wir reden über eine praktische Lücke, die jeden Tag Produktivität, Fortschritt und vielleicht sogar die Zukunft kostet.
Konative Intelligenz entsteht nicht durch Wissen, sondern durch Training, Kultur und Struktur.
Und genau hier beginnt die Umsetzung.
Die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern einen geeigneten Spielplatz bieten.
Dann wird es mit der konativen Intelligenz des Unternehmens ein leichtes Spiel.
Doch zuvor schauen wir uns die persönliche Ebene genauer an.
1. Was ist persönlich zu tun?
Als erstes hilft eine Diagnose sehr.
Doch woran erkennen Sie, dass (noch) wenig Grit da ist?
- Sie beginnen vieles, aber bringen wenig zu Ende.
- Schon kleine Rückschläge werfen Sie komplett aus der Bahn.
- Kritik entmutigt Sie stärker, als sie Sie fokussiert.
- Sie wechseln häufig das Projekt, die Strategie oder sogar das Ziel.
- Sie kennen Ihr Ziel nicht wirklich.
Jedoch ist das kein Charakterfehler.
Es zeigt nur: Ihre konative Intelligenz ist noch nicht stark genug ausgeprägt.
Sie möchte nur trainiert werden.
Ohne Grit wird jedes kleine Problem zu einer großen Blockade.
Mit Grit wird jedes große Problem zu einer handhabbaren Aufgabe.
Genau deshalb beginnt konative Intelligenz immer mit etwas Einfachem:
Etwas, das uns trägt.
Etwas, das uns stabilisiert.
Etwas, das uns nicht bei jedem Luftzug umwirft.
(1) Wählen Sie das Einfache
Wählen Sie das, was Ihnen leicht fällt. Was Ihnen schon immer Spaß machte. Womit Sie sich ewig und drei Tage beschäftigen können.
Und dann arbeiten Sie daran so hart, wie Sie nur können.
Aber nicht an einem Tag.
Sondern alle Arbeitstage.
Trainieren Sie Ihr Grit-Level regelmäßig.
Nicht die großen Sprünge bringen Innovation voran, sondern die fleißigen, stillen Stunden, Tage, Monate, Jahre.
Nicht perfekt, aber verlässlich.
Fragen an Sie selbst:
Welche eine Sache mache ich heute, egal, wie ich mich fühle?
Das ist der Start.
(2) Bauen Sie konative Mikro-Gewohnheiten
Konation entsteht aus Mikroentscheidungen, nicht aus großen Vorsätzen.
Beispiele:
- Beginnen Sie jeden Tag mit einem 10-Minuten-„Startschuss“.
- Schließen Sie jeden Arbeitstag mit einem einzigen erledigten Mini-Schritt ab.
- Begrenzen Sie die Planung auf 20 %, erhöhen Sie das Handeln auf 80 %.
(3) Arbeiten Sie bewusst mit Ihrer Plastizität
„Plasticity is the name of the game.“
Der Satz ist ein Gamechanger, weil er uns zeigt:
Wir sind formbar.
Unser Verhalten ist formbar.
Unsere Umsetzungskompetenz kann verbessert werden.
Und zwar jeden einzelnen Tag.
Konative Intelligenz ist kein Talent.
Sie ist ein Muskel.
Und jeder Muskel braucht Training.
Use it or loose ist, gilt auch hier.
(4) Lernen Sie, Widerstand als Energiequelle zu nutzen
Wo andere abbrechen, beginnt die Haftung zu wirken. Hier spüren wir den Grit erst.
Widerstand ist keine Mauer, sondern ein Messinstrument für konative Intelligenz.
Fragen Sie sich:
Handle ich trotz Unklarheit, Unsicherheit, Ambiguität?
Wenn ja, wächst die konative Intelligenz.
Und das fühlt sich richtig gut an.
2. Wie lässt sich konative Intelligenz unternehmerisch stärken?
(1) Konation messen
Unternehmen messen fast alles: KPI, IQ, Skills, Projekte, Performance.
Aber fast niemand misst die Umsetzungsstärke.
Vorschläge:
- Einführung eines Grit Scores
- Erfassung von Durchhaltepfaden
- Konzentration auf Umsetzungszyklen statt auf Meetingzyklen
Wer sich auf das Denken und Planen konzentriert, verliert gegen die, die das Handeln in den unternehmerischen Fokus nehmen.
(2) Handlungsroutinen institutionalisieren
Unternehmen brauchen umsetzbare Systeme, keine weiteren Motivationskampagnen.
Das heißt:
- kurze, klare Umsetzungsrunden
- verpflichtende und flexible Output-Benchmarks
- „Decision-to-Action“-Regeln (max. 72 Stunden)
- Verantwortung so gestalten, dass Handlung statt Abstimmung belohnt wird
Konation wird nur dort stark, wo Strukturen sie fördern.
Dafür braucht es flexible Benchmarks:
- Wie der Weg zum Ergebnis aussieht, entscheidet das Team.
- Experimente sind nicht nur erlaubt, sondern willkommen.
- Iterationen bilden den Standard.
- Fehler gehören strukturell dazu.
- Plastizität, die Fähigkeit, sich anzupassen, wird so zum Erfolgsfaktor.
Flexibilität schafft die Freiheit, in der Handlungsenergie entsteht.
Denn wer nur abarbeitet, entwickelt keinen Grit.
Wer gestalten darf, schon.
(3) Plastizität bewusst in Teams nutzen
Plastizität ist nicht nur ein individuelles Thema. Sie ist vor allem auch ein Führungsthema.
Teams verändern ihr Verhalten so, wie die Führung es ermöglicht:
- Erlaubt unsere Unternehmenskultur Fehler? Wirklich?
- Erlaubt die Unternehmenskultur auch Tempo?
- Ist unsere Kultur für Experimente geschaffen?
- Darf man unperfekt starten?
- Wo ist bei uns der Spielplatz der Möglichkeiten?
Unternehmen, die diese Plastizität wirklich zulassen, entwickeln fast automatisch mehr Grit.
(4) Eine Kultur des „Default to Action“ aufbauen
Die meisten Organisationen haben ein „Default to Discussion“.
Die viel beschriebene Meetingsmüdigkeit ist oft ein Thema.
Und genau das ist der stille Killer der Innovation.
Ohne Veränderung gibt es keine Zukunft.
Auf lange Sicht zumindest.
Grit entsteht nur in Organisationen, bei denen Handeln der Normalfall ist:
- Kein Meeting ohne eine Entscheidung
- Eine Entscheidung bedeutet mindestens eine konkrete Aktion
- Ergebnisse zählen. Nicht Präsentationen.
- Kein Geschfafel.
- Einfach machen.
Das ist die Essenz konativer Intelligenz im Unternehmensalltag.
(5) Die richtigen Menschen fördern
Konationative Intelligenz ist unterschiedlich ausgeprägt.
Nicht jeder Mensch ist ein Macher.
Nicht jeder will gleich handeln.
Die Wenigsten können auch zielorietiert handeln.
Und nicht jeder hält die Plastizität aus, die die Erneuerung erfordert.
Unternehmen müssen lernen:
- Menschen mit Grit zu identifizieren
- Sie dann zu empowern statt auszubremsen
- Und sie als Innovationsmotor bestmöglich zu nutzen
Wo konative Menschen sich entfalten, da gedeiht der Fortschritt.
Da ist die Zukunft zuhause.
Edith Noerthemann ist Diplomkauffrau mit der Diplomnote 0,7, Innovationscoach und KI-Mentorin. Sie begleitet Unternehmen dabei, Zukunftskompetenz, Neugier und Ambiguitätals echte Wettbewerbsvorteile zu entwickeln.
